Der Parasit

Ich fühle mich elend heute. Ich komme mir vor, wie ein Parasit, wie jemand der auf Kosten anderer lebt. Ich gebe nicht. Ich nehme nur, lautet der Vorwurf. Das wertet mich ab. Ich werte mich deshalb ab. Es macht mich klein und hässlich. Es macht mich zur Fratze. Ich möchte verschwinden, nicht mehr da sein, nie da gewesen sein. Ich möchte mich selbst auslöschen. Niemand wird mich vermissen. Alle werden froh sein, wenn dieser Blutsauger endlich nicht mehr da ist. Ja, so fühle ich mich. Ich bin eine Plage der Menschheit. Ich und meine Depressionen. Niemand will es mehr hören. Ich selbst will es schon nicht mehr hören, dieses verfluchte Wort "Depression". Und doch gehört es noch immer zu mir, macht es mich zu einem großen Teil aus.
Ich würde nichts tun für unsere Beziehung. Ich würde zwar wollen, aber ich würde nichts tun. Ein vernichtendes Urteil, für jemanden, dessen Lebensinhalt seine kleine Familie, seine geliebte Frau ist. Ein vernichtendes Urteil für jemanden, dessen Frau dass wichtigste in seinem Leben ist. Jetzt gerade, jetzt in diesem Moment weiß ich nicht weiter, möchte ich alles hin schmeißen. Wozu all diese Liebesmüh, wenn sie doch vergeblich ist? Wozu weiter ackern, wenn doch nichts wächst auf steinigem Boden? Nein, dazu habe ich keine Lust mehr. Nein, dazu fehlen mir die Kräfte. Es zerreißt mich, was ich heute erfuhr. Es macht mich fertig. Ich muss mich betäuben, um das zu überstehen. Da ist noch eine Flasche Wein ...
Was ist, wenn meine Frau Recht hat, mit dem was sie sagt. Was ist, wenn das alles stimmt? Was, wenn meine Macke mich so weltfremd gemacht hat, dass ich tatsächlich die Einschläge nicht mehr wahrnehme? Was soll ich dann noch auf dieser Welt? Soll ich als Pflegefall in einem Männerwohnheim enden? Nein, darauf habe ich keinen Bock!!! Dann lieber den Wein! Wenn ich etwas schlecht aushalten kann, dann den Umstand für jemand anderen Last zu sein. Ich habe nicht das Recht, jemandem zur Last zu fallen. Ich muss für mich selbst sorgen, aber das scheint mir nicht ausreichend zu gelingen und so benutze ich andere Menschen, benutze meine Frau, nutze sie aus, ungeachtet ihrer Schwäche, ungeachtet ihrer Krankheit. Was bin ich nur für ein Schwein? Ich weiß gerade nicht, wohin mit mir. Am liebsten möchte ich weg laufen. aber wohin? In die Klinik? Zu den Pflegefällen? Ich glaube nicht, dass die auf mich scharf sind.Ich glaube nicht, dass überhaupt irgend jemand auf mich scharf ist. Und genau das ist wohl auch mein Problem. Ich komme allein nicht zurecht. Ich möchte gebraucht und begehrt werden. Und tatsächlich hatte ich bislang den Eindruck, dass es in unsere Ehe auch wirklich so ist. Aber da habe ich mich wohl selbst belogen. Eine Reise in einer Seifenblase, wie man so schön sagt. Und nun ist sie geplatzt und das Ergebnis war eine harte Landung. Aua! Ich kann das alles gar nicht glauben. Ich komme mir vor, wie im falschen Film. Irgendwas stimmt hier nicht. Ich habe den Boden unter den Füßen verloren. Nur der Wein beruhigt mich, stimmt mich friedlich. Es ist mittags, 14.00 Uhr und ich trinke Wein und jammere mein Elend in die Welt hinaus, wohl wissend, dass es keine Sau interessiert, was mit mir los ist. Aber irgendwo muss ich hin damit. Also blase ich es hinaus in die unendlichen Weiten des Internets. Niemand wird es lesen. Niemand wird Anteil nehmen. Es hat keine Bedeutung. Ich habe keine Bedeutung. Nur der Wein ...

Draußen

Da ist es wieder, dieses Gefühl draußen zu sein. Ich kenne es nur zu gut. In all den Jahren unserer Beziehung fing fast jede Krise so an. Dass das etwas mit mir zu tun hat, dass ich mich immer schnell draußen fühle, da bin ich mir ziemlich sicher. Aber was genau es mit mir zu hat, das weiß ich noch nicht. Mein Schatz geht wieder einmal eigene Wege und nimmt mich nicht mit. Vermutlich nicht weil sie es nicht will, sondern weil sie es jetzt nicht anders kann. Aber es fühlt sich ungeheuer schlecht an. Es ist eine Mischung aus Angst, Hilflosigkeit und Resignation.
Aus dem Internet erfahre ich von ihrer Krise. Sie selbst konnte es mir nicht sagen. Aber hier steht es nun schwarz auf weiß. Es geht ihr schlecht - sie will nicht mehr weiter gehen. Ich habe sie dreimal gefragt, was es denn sei, das sie so sehr beschäftige. Ich wollte wissen, was der Grund dafür ist, dass es ihr jetzt so schlecht geht. Und ich bekam jedes mal, wenn überhaupt, nur oberflächliche Antworten zurück. Es wäre ihre Sache, sie müsse mit sich etwas ins Reine bringen. Sie habe erkannt, dass sie selbst etwas falsch gemacht habe. Das macht es mir alles nicht wirklich leichter. Es habe nichts mit uns zu tun. Zwischen uns wäre alles in Ordnung, versuchte sie, mich zu beruhigen. Ein netter Versuch, aber zu 90% wirkungslos. Ich habe wieder Angst, sie zu verlieren. Ich habe Probleme damit, diesen Wechsel von großer Nähe und Distanz hin zu bekommen. Dass tut weh und macht hilflos. Ich kann sie aber auch nicht ein viertes Mal mit meinen Sorgen und Ängsten konfrontieren. Sie hat ja mit sich selbst schon mehr als genug zu tun. Da wäre es falsch, ihr jetzt auch noch das Gefühl zu geben, sie wäre daran schuld, dass es mir nun auch schlecht geht. Dann müsste sie sich um mich kümmern, wo sie doch jetzt nicht einmal genügend Ego für sich selbst hat. Verflixte Kiste! Und dabei haben wir uns doch Offenheit und Ehrlichkeit geschworen. Aber wie mir scheint, gibt es auch das nicht grenzenlos. Wir Menschen sind eben sehr begrenzt.
Nun geht sie wieder zu ihrem Therapeuten. Was ich sonst gut finde, weil er ihr gut tut, entwickelt sich gerade in diesem Moment zu einem Horrorszenarium. Ja, zu ihm hat sie Vertrauen! Ihm erzählt sie, was sie so hoffnungslos macht. Er versteht sie. Ich verstehe sie ja sowieso nicht. Vermutlich wird er ihr raten, sich von mir zu trennen, oder zumindest fern zu halten. Und sie wird es tun, wie sie es schon einmal getan hat.
So langsam frage ich mich, wer hier gerade ein Problem hat. Sie hat erkannt, dass sie etwas anders machen muss. Und ich gucke wieder die ganze Zeit nur darauf, was sie tut oder nicht tut, sagt oder nicht sagt. Wo ist meine Handlungsfähigkeit? Wo sind meine Optionen? Ich sehe keine. Vielleicht reagiere ich ja nur über? Ja, diese Erklärung hilft mir. Vielleicht kann ich so etwas runter kommen. Aber im Grunde tue ich wieder das, was ich immer tue - nichts. Ich warte ab, in der Hoffnung, dass sich bei ihr etwas bessert. Ich schaffe es nicht, mich da heraus zu halten. Mein Verdacht ist, dass ich der Grund dafür bin, dass es ihr jetzt schlecht geht. Warum sonst sollte sie mir den wahren Grund nicht nennen? Sie will mich bestimmt wieder schonen. Na und? Was ist daran schlecht, wenn es denn so wäre? Eigentlich nichts, wenn nur gerade mein Ego nicht auch wieder auf Tauchstation wäre. Es wertet mich ab, dass es andere Männer gibt, denen sie mehr vertraut als mir, auch wenn es in diesem Fall ein Therapeut ist. Es wertet mich ab, dass ich so oft der Grund dafür bin, dass es ihr schlecht geht. Ich war wieder ungeschickt in meinen Gehversuchen, ehrlich und offen zu sein und habe etwas erzählt, dass sie vermutlich nicht wissen wollte, etwas über Sex mit mit meiner Ex. Das war reichlich bescheuert von mir. Ich komme mir so dämlich vor. Aber auch schutzlos und angreifbar.
Jetzt fühle ich, was sie gestern gefühlt hat. Ich fühle mich verletzt, schutzlos und hoffnungslos. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll und es fehlt mir auch gerade die Kraft dazu. Ich bleibe hier liegen und warte ab....
Aber das allerschlimmste ist: Meine eigene Frau weiß nicht, wie es mir geht! Das, was ich so sehr bedauere, das was mir jetzt gerade fehlt, ihre Offenheit, genau das füge ich ihr in diesem Moment zu. Ich mache es mit mir selbst ab und diesem Fetzen Internet hier. Ich weiß, dass das nicht der richtige Weg ist, aber ich sehe mich auch nicht in der Lage, etwas anderes zu tun.
Obwohl, eine Kleinigkeit ist doch anders. Dieses Mal habe ich es aufgeschrieben. Diesmal vergesse ich es nicht selbst wieder. Ich könnte es ihr also später mitteilen, wenn es ihr wieder besser geht. Oder ich könnte ihr den Link zu diesem Post geben? Aber ob das eine guter Weg ist? Ich weiß nicht. Ich probiere es aus. Alles besser, als nichts tun zu können. Ich kann zwar nichts tun, aber wenigstens kann ich es aufschreiben. Dadurch kommt es in eine Ordnung. es ist eine Art Auseinandersetzung und ich breche mein Versprechen nicht, offen und ehrlich zu sein. Ich wähle nur einen, aus meiner Sicht günstigeren Zeitpunkt aus, mich ihr mit zu teilen.