Da ist es wieder, dieses Gefühl draußen zu sein. Ich kenne es nur zu
gut. In all den Jahren unserer Beziehung fing fast jede Krise so an. Dass
das etwas mit mir zu tun hat, dass ich mich immer schnell draußen
fühle, da bin ich mir ziemlich sicher. Aber was genau es mit mir zu hat,
das weiß ich noch nicht. Mein Schatz geht wieder einmal eigene Wege und
nimmt mich nicht mit. Vermutlich nicht weil sie es nicht will, sondern
weil sie es jetzt nicht anders kann. Aber es fühlt sich ungeheuer
schlecht an. Es ist eine Mischung aus Angst, Hilflosigkeit und
Resignation.
Aus dem Internet erfahre ich von ihrer Krise. Sie
selbst konnte es mir nicht sagen. Aber hier steht es nun schwarz auf
weiß. Es geht ihr schlecht - sie will nicht mehr weiter gehen. Ich habe
sie dreimal gefragt, was es denn sei, das sie so sehr beschäftige. Ich
wollte wissen, was der Grund dafür ist, dass es ihr jetzt so schlecht
geht. Und ich bekam jedes mal, wenn überhaupt, nur oberflächliche
Antworten zurück. Es wäre ihre Sache, sie müsse mit sich etwas ins Reine
bringen. Sie habe erkannt, dass sie selbst etwas falsch gemacht habe.
Das macht es mir alles nicht wirklich leichter. Es habe nichts mit uns
zu tun. Zwischen uns wäre alles in Ordnung, versuchte sie, mich zu
beruhigen. Ein netter Versuch, aber zu 90% wirkungslos. Ich habe wieder
Angst, sie zu verlieren. Ich habe Probleme damit, diesen Wechsel von
großer Nähe und Distanz hin zu bekommen. Dass tut weh und macht hilflos.
Ich kann sie aber auch nicht ein viertes Mal mit meinen Sorgen und
Ängsten konfrontieren. Sie hat ja mit sich selbst schon mehr als genug
zu tun. Da wäre es falsch, ihr jetzt auch noch das Gefühl zu geben, sie
wäre daran schuld, dass es mir nun auch schlecht geht. Dann müsste sie
sich um mich kümmern, wo sie doch jetzt nicht einmal genügend Ego für
sich selbst hat. Verflixte Kiste! Und dabei haben wir uns doch Offenheit
und Ehrlichkeit geschworen. Aber wie mir scheint, gibt es auch das
nicht grenzenlos. Wir Menschen sind eben sehr begrenzt.
Nun geht
sie wieder zu ihrem Therapeuten. Was ich sonst gut finde, weil er ihr
gut tut, entwickelt sich gerade in diesem Moment zu einem
Horrorszenarium. Ja, zu ihm hat sie Vertrauen! Ihm erzählt sie, was sie
so hoffnungslos macht. Er versteht sie. Ich verstehe sie ja sowieso
nicht. Vermutlich wird er ihr raten, sich von mir zu trennen, oder
zumindest fern zu halten. Und sie wird es tun, wie sie es schon einmal
getan hat.
So langsam frage ich mich, wer hier gerade ein Problem
hat. Sie hat erkannt, dass sie etwas anders machen muss. Und ich gucke
wieder die ganze Zeit nur darauf, was sie tut oder nicht tut, sagt oder
nicht sagt. Wo ist meine Handlungsfähigkeit? Wo sind meine
Optionen? Ich sehe keine. Vielleicht reagiere ich ja nur über? Ja, diese
Erklärung hilft mir. Vielleicht kann ich so etwas runter kommen. Aber
im Grunde tue ich wieder das, was ich immer tue - nichts. Ich warte ab,
in der Hoffnung, dass sich bei ihr etwas bessert. Ich schaffe es nicht,
mich da heraus zu halten. Mein Verdacht ist, dass ich der Grund dafür
bin, dass es ihr jetzt schlecht geht. Warum sonst sollte sie mir den
wahren Grund nicht nennen? Sie will mich bestimmt wieder schonen. Na
und? Was ist daran schlecht, wenn es denn so wäre? Eigentlich nichts,
wenn nur gerade mein Ego nicht auch wieder auf Tauchstation wäre. Es
wertet mich ab, dass es andere Männer gibt, denen sie mehr vertraut als
mir, auch wenn es in diesem Fall ein Therapeut ist. Es wertet mich ab,
dass ich so oft der Grund dafür bin, dass es ihr schlecht geht. Ich war
wieder ungeschickt in meinen Gehversuchen, ehrlich und offen zu sein und
habe etwas erzählt, dass sie vermutlich nicht wissen wollte, etwas über
Sex mit mit meiner Ex. Das war reichlich bescheuert von mir. Ich komme
mir so dämlich vor. Aber auch schutzlos und angreifbar.
Jetzt
fühle ich, was sie gestern gefühlt hat. Ich fühle mich verletzt,
schutzlos und hoffnungslos. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll und es
fehlt mir auch gerade die Kraft dazu. Ich bleibe hier liegen und warte
ab....
Aber das allerschlimmste ist: Meine eigene Frau weiß nicht,
wie es mir geht! Das, was ich so sehr bedauere, das was mir jetzt
gerade fehlt, ihre Offenheit, genau das füge ich ihr in diesem Moment
zu. Ich mache es mit mir selbst ab und diesem Fetzen Internet hier. Ich
weiß, dass das nicht der richtige Weg ist, aber ich sehe mich auch nicht
in der Lage, etwas anderes zu tun.
Obwohl, eine Kleinigkeit ist
doch anders. Dieses Mal habe ich es aufgeschrieben. Diesmal vergesse ich
es nicht selbst wieder. Ich könnte es ihr also später mitteilen, wenn
es ihr wieder besser geht. Oder ich könnte ihr den Link zu diesem Post
geben? Aber ob das eine guter Weg ist? Ich weiß nicht. Ich probiere es
aus. Alles besser, als nichts tun zu können. Ich kann zwar nichts tun,
aber wenigstens kann ich es aufschreiben. Dadurch kommt es in eine
Ordnung. es ist eine Art Auseinandersetzung und ich breche mein
Versprechen nicht, offen und ehrlich zu sein. Ich wähle nur einen, aus
meiner Sicht günstigeren Zeitpunkt aus, mich ihr mit zu teilen.
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